Hamburger Bestattungsforum Ohlsdorf
Bauherr
Hamburger Friedhöfe AöR
Architekt
Neubau: tönnies+schroeter+jansen freie architekten gmbh
Altbau: Dohse Architekten, Dipl.-Ing. Architekt Carsten Dohse
Tragwerksplanung
Weiske und Partner
statische Beratung Altbau: Otto und Lossien
Laudatio
Das Krematorium des Hauptfriedhofs Ohlsdorf war der letzte Bau, den Fritz Schumacher vor seiner 1933 durch die Nazis erzwungenen Pensionierung gestalten konnte. 10 Jahre hatte er daran gearbeitet. Als die Ausführung dann zeitgleich mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise mit viel zu kleinem Budget begann, war von vornherein klar, dass sein Gesamtkonzept nur als Torso realisiert werden würde.
Noch während des Krieges schreibt er in seinen Erinnerungen: „Unvollendet steht es da als Fragezeichen am Schluss einer langen Kette von Schöpfungen. Was werden die Hände daraus machen, die diesen Anfang einmal zu Ende bauen? Werden sie sich an das halten, was ursprünglich gewollt war?“
Dieser Sorge entsprechend hatte Schumacher in weitsichtig- strategischer Abwägung klare Prioritäten gesetzt. Am äußeren Erscheinungsbild des Hauptbaus ließ er keine Abstriche zu. Ebenso wurde die große zentrale Feierhalle mit allen Details und künstlerischen Ausstattungen ins Werk gesetzt.
Diesem „Richtmaß“ standen Bauherr und Planer gegenüber, als man sich 2007 Gedanken über eine denkmalgerechte Instandsetzung und einen Erweiterungsbau machte.
Kurz nach Bekanntwerden der Pläne wendete sich die Fritz-Schumacher-Gesellschaft an die Hamburger Friedhöfe und bot ehrenamtliche Beratung an. Dieses Angebot wurde, wie Hans- Günther Burckhardt als Vorsitzender der Gesellschaft in seiner Rede zur Einweihung des Bestattungsforums am 10.11.2011 berichtet, „...postwendend mit einer freundlichen Einladung zu einem Gespräch beantwortet.“
Dieser überaus klugen Reaktion des Bauherrn folgte eine bis zum heutigen Tag andauernde intensive Zusammenarbeit, in die von Anfang an auch der Oberbaudirektor, das Bezirksamt Nord und das Denkmalschutzamt eingebunden waren. Den gemeinsamen Bemühungen war es schließlich auch zu verdanken, dass Mittel in Höhe 10 Millionen EURO staatlicher Förderung für die notwendigen denkmalpflegerischen Maßnahmen bewilligt wurden.
Bei der Rekonstruktion der Gebäudehülle ist insbesondere die Wiederherstellung des Klinkerdaches hervorzuheben. Eine technische Meisterleistung, durch die der Bau seine einzigartige Materialeinheit und die daraus erwachsende monumentale Wirkung zurück erhält, die Schumacher angestrebt hatte.
Viele weitere Details wären zu nennen, die -zusammenfassend gesprochen- nach dem Prinzip von Wiederherstellung und Vollendung bearbeitet wurden: Dort wo die ursprüngliche Nutzung beibehalten werden, sollte und die originale Substanz erhalten war wurde detailgetreu bis zu den Türdrückern wiederhergestellt. Was bereits von Schumacher als Provisorium angelegt oder nicht mehr im Original erhalten war, wurde mit großer Sensibilität neu formuliert.
Dies gilt insbesondere auch für den Erweiterungsbau. Er bezieht sich auf das bereits von Schumacher städtebaulich und funktional-räumlich angelegte Grundgerüst einer 2-flügeligen Anlage, die einen Innenhof bildet, der allen organisatorischen Anforderungen gerecht wird und der Fassade des Krematoriums nach Westen eine neue, angemessene Fassung gibt.
Auf der Südseite bietet sich eine zusätzliche Erschließung von der Straßenseite an, die über eine geschickt platzierte Freitreppe auf den erhöht über dem Friedhofsgarten liegenden Terrassenumgang vor dem Restaurant führt.
Es ist, wie Burckhardt es formuliert, ..“ein gutes Beispiel für eine sinnfällige Verknüpfung von Alt- und Neubau, ohne die heute so beliebte Kontrastbildung, aber auch ohne den Versuch die Grenzen zwischen Alt und Neu ganz verschwinden zu lassen. Hier wird Schumachers Credo formale Unterschiede durch Einheit des Materials zu versöhnen überzeugend verwirklicht.“
Insgesamt ein überaus komplexes BAUWERK DES JAHRES, an dem neben den heute ausgezeichneten Bauherren, Architekten und Ingenieuren viele Beteiligte im Geiste Fritz Schumachers verdienstvoll mitgewirkt haben. Ihnen allen gebührt Dank und große Anerkennung!
Mathias Hein
Hamburg den 1. Oktober 2012