Stadtteilschule Kirchwerder

Stadtteilschule Kirchwerder -

Laudatio

Wir sind hier, um Hamburgs beste Bauten auszuzeichnen. Gemeint sind die Bauten, bei denen alles zusammenkommt: Ein kluges Programm, eine angemessene Gestaltung und eine qualitätvolle Umsetzung.

Wie gelingt so etwas? Wie bringt man diese Bereiche sinnvoll zusammen?

Idealerweise nicht nur zusammen, sondern in den Austausch.

Wer gehört dazu? Wer ist beteiligt?

Die, die das Geld geben? Oder die, die gegenüber wohnen? Die, die hier unterrichten werden? Oder die, die dort unterrichtet werden? Sind es die, die das Bauwerk genehmigen oder die, die es bauen?

Keiner von ihnen allein, gute Bauten entstehen gemeinsam.

Gute Bauten sind die, bei denen die Dinge miteinander ins Schwingen kommen. Bei denen einander zugehört wird, bei denen ausgehandelt wird. Nachverhandelt, justiert.

Das geht nur, wenn niemand meint, er oder sie allein habe Recht und die Ziele seien nur auf eine Art und Weise zu erreichen.

Doch – droht dann nicht Beliebigkeit?

Am Anfang war ein Wettbewerb.

Irritierenderweise waren es „Erfahrungen mit dem Bauen im ländlichen Kontext“, die einem Architekten aus Berlin die Gelegenheit gaben, an einem Wettbewerb in Hamburg teilzunehmen.

Wo in Hamburg sind solche Erfahrungen denn bitte gefragt?

In Kirchwerder, mitten in den Vierlanden im Bezirk Bergedorf, Hamburgs südlichstem Stadtteil. Mit gut 800 Jahren gilt Kirchwerder als eine der ältesten erhaltenen Kulturlandschaften Deutschlands und ist mit den Marschböden immer noch ein Gemüseanbaugebiet. Dafür also „Erfahrungen mit dem Bauen im ländlichen Kontext“.

Erfahrung mit der Bauaufgabe, einem Schulbau, gab es hingegen keine. Hierfür wurde ein Partner gesucht, der die notwendigen Referenzen in das Verfahren einbrachte und der nicht schlecht staunte, als am Schluss die Arbeitsgemeinschaft das Verfahren gewann. Die Aufgaben wurden verteilt: Ein Büro plante die Sporthalle und der Wettbewerbsteilnehmer das Schulhaus.

Seine ursprüngliche Idee war ein radikales Langhaus, vermutlich in Anlehnung an Hufnerhäuser – so heißen die beeindruckenden Bauernhöfe in den Vierlanden, die bis heute prächtig zwischen den handtuchschmalen Feldern stehen und viele Nutzungen unter einem Dach zusammen fassen.

Als dieser Entwurf bekannt wurde, das radikale Langhaus, machte sich Unmut breit, Sorge vor ungeeigneten Strukturen für eine Schule in diesem ländlichen Kontext. Der Architekt sah sich mit den Emotionen engagierter Personen konfrontiert und reagierte klug – erst einmal gar nicht. Er schlief eine Nacht über die Vorwürfe und überlegte später, wo zwischen all der Empörung vielleicht wertvolle Hinweise zu entdecken seien, die seinen Entwurf besser machen könnten.

Denn es gab zwei erste Preise und damit die unerwartete Gelegenheit zur Überarbeitung. Und so entstanden neu zwei Baukörper, leicht schrägt zueinander gestellt. Sie bildeten einen Hof, öffneten sich in die Landschaft und definierten zur Straße eine Adresse.

Nun müsste man raus, vielleicht in den Hamburger Nieselregen, um von einem Gebäude in das andere zu gelangen. Doch der Vorteil lag klar in der Gesamtgestaltung. Die ungewöhnlichen Baukörper waren sorgfältig geformt und gesetzt. Sie sollten eingekleidet werden, so dass ihre Ebenen – es sind drei
Geschosse – zurücktreten und das Volumen als Ganzes lesbar würde.

Ein starker Entwurf. Ein junger Architekt. Und dann?

Gute Bauten sind die, bei denen die Dinge miteinander ins Schwingen kommen, wo die Fronten nicht einander hart gegenüberstehen. Und so gelassen, wie die Kritik am Entwurf im Architekturbüro aufgenommen wurde, so respektvoll wurde auch mit seiner entwerferischen Leistung umgegangen:

Seitens der Bauherrschaft, immerhin ein städtisches Unternehmen, entzündete sich Leidenschaft. Im Bezirk, immerhin einer Verwaltung, gab es viel Interesse und aus der direkten Umgebung große Aufmerksamkeit.

Sollte in Sparrunden zu viel weggestrichen werden, gab es Rückenwind für die ursprüngliche Idee. Ein Netzwerk all derer, die an das gute Projekt glaubten und es über den langen Zeitraum von 8 Jahren auch über Hürden hinweg begleiteten.

Und es war nicht einfach! In einer Wohnstraße gelegen, durfte es nicht zu mächtig wirken. Mit der gekrümmten Fassade waren die Ziegel für das Aussenkleid aufwändig von Hand herzustellen und die Kosten schraubten sich kontinuierlich in die Höhe.

Als die Musterfassade in einem Lkw bei strömenden Regen angeschaut und begutachtet wurde – soll es wirklich so aussehen? – da hatte sich auch noch ein Fehler eingeschlichen: gelbe Sprenkel im dunklen Backsteinrot. Doch, so sollte die Fassade aussehen und damit galt es nun, den Fehler zu reproduzieren.

Es waren gute Handwerker, Fachmenschen, die mit Stolz und Enthusiasmus das Projekt umsetzten! Die ursprünglich fehlerhaften, gelben Sprenkel können wir heute an der gesamten Fassade sehen. Die Einmischung in den Entwurf wurde zur treuen Begleitung im Prozess. Die Teilung des Langhauses ein
Gewinn durch den entstandenen Hof.

All dies half, einen starken Entwurf Wirklichkeit werden zu lassen, miteinander ins Schwingen zu kommen. Es kam so sehr in Schwingungen, dass der Bezirk, bei Versuchen an der Qualität der Fassade zu sparen, sein Veto einlegte. Und es schwingt nach – so, dass am Tag der Architektur dieses Jahres, als der Umzug bereits durch war und die Schule im Betrieb, der Projektleiter seitens der Bauherrschaft, der SBH, mit seinem Chor in der Aula der Schule sang.

Heute wünscht sich der Architekt, dass dieser Projektleiter namentlich genannt wird. Den Gefallen, Sebastian Höfling von Schulbau Hamburg zu erwähnen, kann ich ihm gerne erfüllen. Gute Projekte brauchen gute Bauherren.

Und der Architekt wünscht sich eine Umfrage bei den Schülerinnen und Schülern, wie es ihnen gefalle. Den Wunsch kann ich nicht ganz erfüllen, doch mit einigen von ihnen habe ich gesprochen. Sie saßen in ihrer Freizeit auf den Bänken und schauten neugierig. Als ich fragte, wie es so sei, fanden sie ihre Schule cool. Ganz ok. Das Haus sei gut. Ihre Eltern fänden es „modern, neumodisch“.

Und wie sei es von innen? „Rohbauig!“

Überrascht waren sie nicht, als ich erzählte, dass ihr Schulhaus einen Preis bekäme: „Ja, klar…“

Thomas Kröger Architekten haben ein bemerkenswertes Schulhaus – oder vielmehr zwei – in Kirchwerder gebaut. Innen strahlen sie fast ein bisschen Härte aus, viel Sichtbeton, Stahlmöbel, doch auch liebevolle und gut gestaltete Ecken. Dem Generalunternehmen wurden zahlreiche Details mit viel Planungstiefe in die Umsetzung mit gegeben, so wurde es trotz einem engen Kostenrahmen ein wahrlich durchdachtes Haus.

Und außen die beiden eingekleideten Volumen, die schwer in der Marsch liegen, fast wie lebendige Körper. Sie erscheinen warm, ruhig und groß, nie protzig trotz des beachtlichen Raumprogramms für 1.000 Schülerinnen und Schüler:

Auf 538 Baupfählen ruhen 45 Klassenräume und eine Mediathek sowie 19 Fachräume, Lehrerzimmer, Aula und Mensa. Der Hof zwischen beiden Körpern öffnet sich zum Sportplatz und dann in die weite Landschaft. Auf dem Hof, eine tribünenartige Anlage, auf der Kinder und Jugendliche sitzen, einander beobachten können, aber auch Bänke und hoffentlich später kräftige Bäume, noch sind sie hier ein bisschen schmal. Vielleicht kann man in Frage stellen, ob es ganz so viel versiegelte Grundfläche sein musste, ich vermute mal, es sind auch Feuerwehraufstellflächen.

Man findet sich gut zurecht, in dieser Schule, sieht immer wieder den zweiten Körper gegenüber, auf dem Weg durch die Klassenverbände. Sie sind, ebenso wie die naturwissenschaftlichen Räume, in Clustern organisiert, die sich um offene Lern-, Arbeits- und Aufenthaltsplätze anordnen. Das „rohbauige“ lässt Spielräume für die Nutzungen, Flächen können dank Tafelfarbe mitgestaltet werden.

Diese beiden Häuser der Stadtteilschule Kirchwerder sind wunderbar eingebettet. Die Vielzahl der begleitenden und unterstützenden Menschen hat sie hervorgebracht, ohne die gestalterische Idee je zu schwächen. Diese Architektur ist in keiner Weise beliebig, sie ist kraftvoll und eigen.

Ein kluges Programm hat eine angemessene Gestaltung und eine qualitätvolle Umsetzung erhalten.

Herzlichen Glückwunsch.

 

Prof. Tina Unruh

Hamburg, im Oktober 2025

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