1935 lief das sog. „Reichsspeicherprogramm" an, das „die Aufgabe hatte, Deutschland hinsicht-lich der Getreideversorgung möglichst autark zu machen. Für die Bauten wurden daher im nen-nenswerten Umfange, d.h. bis zu einem Drittel der Baukosten, Geldmittel seitens des Reiches als verlorene Zuschüsse zur Verfügung gestellt". - Ein Zitat Dr. Bernhard Siebert aus „Hamburg und seine Bauten 1929-1953" - klingelt da was?
So entstanden vornehmlich in den preußischen Nachbarorten (noch kurz vor dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 / 38) Harburg-Wilhelmsburg und eben hier in Altona, unter der Regie der Hafenbauämter, zu gleicher Zeit Prototypen von Gebäuden zwischen Wasserkante und Straße – hier mit der Variante einer direkt am Kai gleisführenden Fahrbahn.
Der Querschnitt zeigt deutlich eine innere Struktur von dicht an dicht senkrecht stehender Spei-cherhülsen, die mittels Gebläse gefüllt und geleert wurden, die aber auch dem Gebäude durch die Betontrennwände eine starke Stabilität verliehen. Auf dem Bild sind die Speicher an der Rethe. Diese Struktur war hier in Altona in den Jahren nach dem Kriege 1980 und 91 entfernt worden, Decken waren eingezogen worden, um verschiedene Nutzungen möglich zu machen. Trotzdem befand das Denkmalschutzamt, diesen Bau unter Schutz zu stellen, war es doch den ursprünglichen Architekten gelungen – Prototyp hin oder her – dem langgestreckten markanten Lagerhaus von Gustav Oelsner und Kurt Meyer aus dem Jahre 1924 einen von anderem Archi-tekturverständnis her getragenen schlichteren, einfacheren, jedoch in seiner Grundhaltung sehr gleichwertigen Kopfbau zuzuordnen. Den heute umgebauten aber sorgfältig restaurierten Schuppen und Silos ist damit neues Leben beschert, der Hafenrand des als Konkurrent der Hansestadt gedachten dänisch / preußischen Altona erhalten und damit ein Stück Geschichte sichtbar gemacht worden.
Das erklärt die Herangehensweise der Planer an die Aufgabe, zu der ja auch noch die gewan-delten Anforderungen an Hochwasser- und Wärmeschutz gehören mussten. Eine „weiße Wan-ne" unter das Gebäude zu ziehen, kann man zu den Standardaufgaben für die Ingenieure zäh-len, aber im Zusammenhang mit dem durch die Umbauten der 1980er Jahre eingebrachten Instabilität des gesamten Baus und der durch die neue Nutzung notwendig gewordenen Durch-löcherung der Fassaden, darf man sehr wohl von einer „Herausforderung" reden. Der sind die Planer durch Einziehen einer zusätzlichen Stahltragekonstruktion gerecht geworden! Die Archi-tekten sind der Versuchung, dem einfachen Gewerbebau der 1930er Jahre einen modernen „Stempel" aufzudrücken, weitgehend aus dem Wege gegangen, bis auf zwei große Fensteröff-nungen an der Westseite, die wohl der Angst vor zu viel Einfachheit geschuldet sind. Ich konnte keine aus dem Innern heraus gewachsene Notwendigkeit dafür entdecken, aber der Langweile ist damit allemal vorgebeugt, zumal es das einzige Element dieser Art geblieben ist. Stehende Lochfensterung, einfache Zugänge mit einer Rampe vor dem Erdgeschoss an der nördlichen Landseite signalisieren den Respekt der Architekten vor der ursprünglichen historischen Nut-zung und daraus abgeleiteten Gestaltung.
Dafür ist der Innenausbau ganz einer einheitlich geprägten Moderne verpflichtet. Die mittlere Erschließung durch einen breiten verglasten Flur führt im 3. Obergeschoss eindrucksvoll in ei-nen im dreiseits verglasten Ausleger für den Saugrüssel angeordneten Besprechungsraum. Im Dachgeschoss ahnt der Besucher und die Besucherin über dem Segmentbogen der Rohdecke eine weitere Etage. Andere Details unterstreichen die Akribie, mit der die Architekten und
Architektinnen hier vorgegangen sind.
Vieles, der sorgfältige Umgang mit der historischen Bausubstanz in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt, der Respekt vor dem „genius loci", der sich in Zurückhaltung und Sensibili-tät im Umgang mit dem Original äußert, und die so sorgfältig abgestimmten Details im Innen-ausbau zusammen mit dem einfühlsam arbeitenden Ingenieurinnen und Ingenieuren. Dazu eine verständnisvolle Bauherrin haben die Jury veranlasst, diesen Bau als
Bauwerk des Jahres 2021
auszuzeichnen.
Gerhard Hirschfeld
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